Vortrag: Mercedes-Benz »Future Talk« Berlin
Welche Rolle die Virtualität zukünftig im Automobil spielen kann, zeigte Mercedes-Benz schon zu Beginn des Jahres auf der CES in Las Vegas mit dem »F 015«. Das autonom fahrende Forschungsfahrzeug zeigt ein komplett neu gestaltetes Innenraumkonzept und bietet mit integrierten Informations- und Interaktionsflächen überraschende Möglichkeiten der Wahrnehmung. Das Fahrzeug wird zu einem fahrenden, mobilen Erlebnisraum, in dem alle Strukturen zum virtuellen Medium werden können. Das autonome Fahren erlaubt gänzlich neue Möglichkeiten für die Erschließung digitaler Welten während der Fahrt – aber was sind sinnvolle Inhalte für diese »neue Welt«? Wie verbringt ein Fahrer seine Zeit in dieser »Raumkapsel«, wenn er die Rolle des »Maschinisten« abgeben darf? Dies sind einige der Fragestellungen, welche auf dem diesjährigen FutureTalk von Mercedes-Benz in Berlin diskutiert wurden.
Professor Erich Schöls von »Design und Systeme« verweist auf die Historizität solcher Erfahrungen: „Erweiterte oder vollständig generierte Wahrnehmungsmodelle sind nicht wirklich neu. Erste Versuche in diese Richtung gehen zurück in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts, als sich Pioniere wie Fred Waller, Morton Heilig, Ivan Sutherland oder Stanislaw Lem mit stereoskopischen Bildern, Interaktionsmodellen oder wissenschaftlichen Fragen zu den Auswirkungen von Realitätssimulationen beschäftigt haben.“ Seit wenigen Jahren, so Schöls, sei auch für Konsumenten Hardware verfügbar, die einen weitreichenden Einblick in das zulasse, was uns in absehbarer Zeit erwartet: „Virtuelle Wahrnehmungswelten, die das menschliche Bewusstsein in Räume entführt, die bislang nur in unserer Phantasie oder in Träumen existiert haben. Schon heute ist der Grad der Immersion bei einigen Anwendungen so hoch, dass ein fast natürlicher Umgang des Menschen mit der generischen, künstlichen Kulisse möglich wird. Dabei werden immer mehr Sinne berücksichtigt und immer natürlichere Interaktionsmodelle implementiert. Der Weg von der Realität in die virtuelle Welt ist dabei fließend.“
Schöls erinnerte allerdings auch an Hürden der Akzeptanz, die virtuelle Technologien noch überwinden müssen: „Während sich augmentierbare Systeme, sogenannte ‚Mixed Reality‘, zunehmend in Industrie, Kultur und Gesellschaft etablieren, stehen dem Eintauchen in vollständig artifizielle Umgebungen viele Menschen im Moment noch etwas misstrauisch gegenüber. Man kann sich dennoch sicher sein, dass diese Hürden mit der Zeit abgebaut werden: Mit zunehmend sinnvollen Anwendungen und weiter optimierten Technologien wird sich dies bald ändern. Der Mensch wird den Cyberspace als eine nützliche und interessante Bereicherung mit riesigen Potenzialen schätzen.“